1. Verbund
  2. Nordstadt
  3. Geschichte
  4. Aktuell
  5. Materialien
  6. Kontakt
  7. Suche

11. April 2022

Wohnungsnot und Wuchermieten

Kategorie: Planerladen, Integration

Infos und Gewinnspiele zum Housing Action Day wurden von Nordstadt-Bewohner*innen und Passant*innen gut genutzt. Der Platz vor der St. Josephkirche füllte sich für den Housing Action Day in kürzester Zeit. Am 26.03.2022 machten mehrere Vereine auf die schwierige Situation von Mieter*innen aufmerksam und boten ihnen Informationen.

Fotos: Sebastian Sellhorst, bodo e.V.

Mitten auf dem Platz bot eine Couch einen Platz für Gespräche zur Wohnsituation und ein Glücksrad kleine Gewinne für die interessierten Besucher*innen. Das Glücksrad war vor allem bei den Kindern beliebt. Mit dem Dreh an der „Preisspirale“ konnte man nicht nur etwas gewinnen, sondern auch viel über aktuelle Mietangebote in Dortmund erfahren. „Mit dem Ansturm hätten wir nicht gerechnet. Die Kinder waren alle total neugierig und haben am Glücksrad nach den Mieten gefragt. Vielen Dank an alle, die uns besucht haben und an unsere Helfer für ihren Beitrag zum Housing Action Day 2022“, so Anna Tenholt und Fatlinda Bajramaj, vom Projekt „Nordstadt to go!“.

Gemeinsam mit Kolleg*innen von der Antidiskriminierungsstelle, Konfliktvermittlung und den Vereinen Mieterverein Dortmund, Train of hope, GrünBau, bodo , Mieternetzwerk Dortmund, bezent und dem Caritas Energiesparservice machten sie auf ein drängendes Problem aufmerksam: steigende Mieten und prekäre Wohnsituationen. 63 Personen nahmen an einer Kurzumfrage teil. 34 von ihnen wohnen in der Nordstadt. Die meisten von ihnen gaben an, dass sie mit der Größe ihrer Wohnung zufrieden sind. Aber auch die anderen fanden bei den Veranstalter*innen ein offenes Ohr: „Wir haben mit vielen Menschen gesprochen am Samstag. Es war spannend, teilweise auch bedrückend über Probleme mit der Wohnsituation zu hören. Wir hoffen sehr, dass wir in manchen Fällen mit Infos und Kontaktadressen weiterhelfen konnten“, berichtet Anna Tenholt.

Um 13 Uhr stellten die Veranstalter*innen ihre konkreten Forderungen auf. Tülin Kabis-Staubach, Geschäftsführerin Planerladen gGmbH, und Bezirksbürgermeisterin Hannah Rosenbaum beschrieben sowohl die Situation in der Nordstadt als auch notwendige wohnungspolitische Maßnahmen für einen Stopp der Preisspirale. Markus Roeser vom Mieterverein Dortmund informierte über die generelle Entwicklung des Wohnungsmarkts, die zur Knappheit von Wohnraum führt.

Das Projekt „Nordstadt to go!“ vom Planerladen möchte Menschen aus der Nordstadt und aus anderen Stadtteilen oder Städten, Menschen mit und ohne Zuwanderungsgeschichte zusammenbringen, Barrieren abbauen und Kulturen in einem zwanglosen Rahmen vorstellen. Über Instagram @nordstadttogo, den Hastag #nordstadtkannmehr und auf www.nordstadttogo.de werden alle Infos, Termine und Teilnahmebedingungen für die Veranstaltungen bekannt gegeben. Das Projekt wird gefördert durch das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat.

Kontakt:
Planerladen e.V. – Integrationsagentur
Borsigstr. 1, 44145 Dortmund
Tel.: 0231 / 83 32 25
Mail: gwo@planerladen.de
www.planerladen.de | nordstadt-to-go.de

 

HINTERGRUND

Mietenwahnsinn Dortmund

Die Einwohnerzahl und Anzahl der Haushalte der Stadt steigt seit Jahren an. Die entstandene Nachfrage nach Wohnraum kann mittlerweile nicht mehr ausreichend befriedigt werden. Zusätzlich sind Dortmunder Wohnungen weiterhin eine interessante Anlage für den Finanzmarkt und Spekulationen. Als Resultat sind die Angebotsmieten in Dortmund zwischen 2016 und 2021 um knapp 25 % gestiegen. Im Zuge eines neuen Mietspiegels erhöhen viele Vermieter*innen erneut die Mieten, oft auch unrechtmäßig hoch.
Aktuell finden sich auch in der Nordstadt Angebote für freifinanzierte Wohnungen mit Mieten von 10 bis 14 ¤/m²; sie liegen damit deutlich über den Werten des Mietspiegels. Dies ist bisher legal. Während der Mieterschutz bei bestehenden Mietverhältnissen Mieterhöhungen beschränkt, ist die Miete zu bei Neuvermietungen nicht eingeschränkt. Wer dringend eine Wohnung sucht, muss hohe Preise akzeptieren und an anderen Stellen sparen. Wer knapp über dem Existenzminimum lebt, hat aber keine Möglichkeit, irgendwo zu sparen!
Gleichzeitig sinkt seit Jahren das Angebot an öffentlich gefördertem Wohnraum, das sich seit 2005 nahezu halbiert hat. Aufgrund gravierender Fehler der deutschen Wohnungspolitik in den letzten Jahrzehnten ist hier auch kurzfristig keine Besserung in Sicht. Durch auslaufende Mietpreisbindungen und geringem Neubau von Sozialwohnungen verschärft sich der Trend sogar.
Zehntausende Wohnungen in Dortmund sind Anlageobjekte börsennotierter Wohnungskonzerne wie Vonovia, LEG oder Grandcity, aber auch von Immobilien-Fonds und Finanzinvestoren. Die tatsächlichen Eigentümer sind insbesondere bei Finanzinvestoren nicht immer klar. Die Intown-Gruppe hat beispielsweise aufgrund von Immobilien in prekärem Zustand Bekanntheit erlangt. Zu nennen ist hier insbesondere der Hannibal in Dorstfeld, aber auch verschiedene Immobilien in der Nordstadt. Dies ging so weit, dass die Stadt letztlich von ihrem gesetzlichen Vorkaufsrecht Gebrauch machte, um eine weitere Verschlechterung der Lage für die Mieter*innen der betroffenen Wohnungen in der Nordstadt, denen z.T. zwischenzeitlich der Strom gesperrt wurde, zu verhindern. Das Hochhaus Kielstraße 26 wurde im letzten Jahr mit Fördermitteln des Landes Nordrhein-Westfalen abgerissen.

Explodierende Energiepreise

Seit Monaten steigen die Preise für Strom und Gas. Viele Menschen in Dortmund haben bereits eine Preiserhöhung oder sogar eine Kündigung ihres Anbieters erhalten. Für die meisten Mieter*innen drohen mit der nächsten Heizkostenabrechnung hohe Nachforderungen. Zusammen mit den gestiegenen Kaltmieten gehen die Kosten für die eigene Wohnung weiter in die Höhe. Für viele Haushalte werden die Kosten voraussichtlich nicht oder nur schwer zu stemmen sein.
Für Wohngeldempfänger*innen, Studierende und Auszubildende, hat die Bundesregierung den im Januar beschlossenen Heizkostenzuschuss gerade erst aufgestockt. Alle anderen werden einen Weg finden müssen, die Kosten komplett selbst zu tragen. Die Regelsätze für Hartz IV, die hier gerade in Bezug auf Stromkosten und bei Durchlauferhitzern, nicht ausreichen, wurden noch nicht angepasst.

Verschärfung der Situation durch Corona

In nördlichen Dortmunder Stadtteilen, insbesondere der Nordstadt, lassen sich die sozialen Ungleichheiten unter Corona wie unter einem Brennglas betrachten: Hier kommen in vielen Fällen besonders für Familien beengte Wohnverhältnisse, wenige private oder öffentliche Freiflächen und prekäre Arbeitsverhältnisse zusammen. In benachteiligten, dicht bebauten Stadtteilen ist die Wohnfläche pro
Kopf oftmals deutlich unterdurchschnittlich, während gleichzeitig ausreichend Grün- und Erholungsflächen im öffentlichen Raum fehlen, um die Enge der Wohnung zumindest teilweise zu kompensieren. Dies zeigt einmal mehr, dass unsere Wohnsituation direkten Einfluss auf unsere Gesundheit und die Teilhabechancen in der Gesellschaft haben.

Die Stadt gehört allen

Zudem sind marginalisierte Gruppen besonders betroffen von Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz AGG soll Betroffene vor Diskriminierung schützen, ist jedoch momentan noch unzureichend. Wir stehen für ein Ende der diskriminierenden Vermietungspraktiken auf dem Wohnungsmarkt ein und fordern eine Verbesserung des gesetzlichen Diskriminierungsschutzes, um Betroffenen eine stärkere Handhabe gegen Ungleichbehandlung zu geben.
Aus Sicht der Veranstalter*innen braucht es eine Richtungsänderung in der aktuellen Wohnungspolitik. Dazu gehört unter anderem:
• Stärkung gemeinnütziger Vermieter und Investoren und des kommunalen Wohnungsbaus
• Schaffung von Wohnungen mit dauerhaften Preis- und Belegungsbindungen
• Stärkere Regulierung der Neuvermietung (Mietpreisüberhöhung nach §5 Wirtschaftsstrafgesetz scharf stellen, Mietpreisbremse für Dortmund)
• Wohnung für alle! Wohnungslose und Geflüchtete in Wohnungen unterbringen! Housing First! Leerstand beenden! Mehr Plätze in Frauenhäusern!
• Zwangsräumungen, Versorgungssperren und Kündigungen verhindern! Wohnraum, Kleingewerbe, Kulturszene und soziale Zentren sichern!
• Mieten senken – Gewinne umverteilen! Höchstmieten festsetzen! Krisengewinne abschöpfen – Sonderabgabe auf Vermögen zur Bewältigung der Corona-Krise!
• Bodenspekulation beenden! Boden und Wohnraum dürfen keine Ware sein!